Phänomen Robur

Robur kann auf die längste Geschichte aller Nutzfahrzeugbetriebe der DDR zurückblicken. Ausgangspunkt war die 1888 von Zimmermeister Karl Gustav Hiller gegründete Gustav-Hiller AG zum Vertrieb von Textilmaschinen und Fahrrädern. Später übernahm man für einige Jahre (bis 1910) auch die Fertigung von Motorrädern.

Ab 1907 wurde das robuste und preiswerte Dreiradfahrzeug Phänomobil montiert, das seine enge Verwandtschaft zur Berliner Cyklonette allerdings nicht verbergen konnte und Gegenstand langwieriger Patentstreitigkeiten war. Die Produktion lief bis 1927 .
Der 1916 in die Aktiengesellschaft Phänomen-Werke Gustav Hiller umgewandelte Betrieb bot zwischen 1910 und 1927 auch vierrädrige Pkw an, denen allerdings wenig Erfolg beschieden war.

Im Jahre 1927 wurde der Lkw 4 RL mit 0,75 bis 1 t Tragfähigkeit herausgebracht, der den Ausgangspunkt einer erfolgreichen Nutzfahrzeugproduktion darstellte. Besonders die deutsche Reichspost bediente sich gern dieses Gefährts. Als die Nachfrage nach Lkw mit höherer Nutzmasse stieg, kamen 1931 der Granit 25 (Nutzmasse 1,5t) und 1936 der Granit 30 (Nutzmasse 2,5t) auf den Markt.
Alle Phänomen Lkw besaßen übrigens, genau wie die Dreiräder, luftgekühlte Motoren. Lediglich die glücklosen Pkw waren mit wassergekühlten Triebwerken ausgerüstet.

Im Zuge der Rüstungsproduktion und der Umsetzung des Schell-Plans wurde das Typenprogramm ab etwa 1930 im wesentlichen auf den luftgekühlte LKW Granit 1500 mit 1,5t Nutzmasse reduziert und in großen Stückzahlen als Allradversion für die Wehrmacht gefertigt.
Entsprechend des Volksentscheids vom 30.April 1946 gingen auch die im Krieg teilweise ausgebombten Zittauer Phänomen-Werke in Volkseigentum über.
Neben der Produktion dringend benötigter Massenartikel wurden auch rund 1000 Fahrzeuge der Roten Armee instandgesetzt.

Erst nach 1948 konnten wieder LKW der Kriegsmodelle Granit 1500 in Serie gefertigt werden, wenn auch in recht bescheidenem Rahmen. Es war die Zeit in der der ehemalige Werksleiter Hans Langer, die so genannten „Langer Schüler“, eine Gruppe von Fahrzeugbauern und Kfz Ingenieuren wie Rudolf Richter um sich scharte.

Im Jahr 1949 wurde das Werk in den IFA (Industrieverband Fahrzeugbau) übernommen und produzierte infolge den LKW Phänomen Granit 27 von dem im Januar 1950 die ersten 13 Stück fertiggestellt wurden. Die Nutzmassen dieser Fahrzeuge wurde stetig gesteigert.

1952 wurde der Prototyp Phänomen-Granit 32 vorgestellt, der erstmals mit einem luftgekühlten Dieselmotor ausgerüstet war – im Gegensatz zu den bisherigen Vergasermotoren der Zittauer Fahrzeugwerke. Zu einer Serienproduktion kam es nicht.

Ab 1953 folgte das Modell Granit 30 K. Der enteignete Eigentümer des Werkes war nach Westdeutschland gegangen und gründete dort ein neues Unternehmen, welches Produkte unter dem Namen Phänomen herstellte. Er wollte den neuen Eigentümern den Namen seines enteigneten Betriebes nicht überlassenn, daher durfte der Betrieb in Zittau den Namen Phänomen nicht mehr führen.

Ab Anfang 1957 firmierte. die Firma unter dem neuen Betriebsnamen VEB Robur Werke Zittau. Granit Fahrzeuge wurden dort seitdem unter dem Namen Garant produziert.
Dem Betrieb wurden andere Fertigungsstätten angegliedert, darunter das Karosserie-Werk Bautzen, das Motorenwerk Kamenz, das Karosseriewerk Winter Zittau und das Feuerlöschgerätewerk Görlitz.
Das Design des Schriftzuges ROBUR ist in Anlehnung an eine Kurbelwelle gestaltet. Der Name Robur ist hergeleitet vom lat. Wort für Stieleiche/Deutsche Eiche (Quercus Robur). Cirka 50.000 Exemplare wurde vom Typ Garant bis 1961 gebaut.
Dem erfolgreichen Garant folgte der Robur LO 2500, der erstmals zur Leipziger Frühjahrsmesse 1961 präsentiert wurde und dessen Konstruktion aktuellen internationalen Entwicklungstrends entsprach (Frontlenker-Lkw, 2,5 t Nutzmasse, 51,5 kW Vergasermotor).

Als allradgetriebene Variante mit 1,8t Nutzmasse entstand der Robur LO 1800 A. Weiterentwicklungen führten schließlich 1968 zu den Typen LO 2501 und LO 1801 A, äußerlich erkennbar am veränderten Kühlergrill.
Weitere Modifikationen, erfolgten bis 1974 mit dem LO 3000 mit 3t Nutzmasse.

Er war die Basis für eine Vielzahl von Sonderausführungen. Eine Nutzmassesteigerung erfuhr auch die Allradvariante, die nunmehr als LO 2202A angeboten wurde.
Ab Herbst 1982 war neben dem bisherigen Vergasermotor auch ein Dieselmotor im Angebot. Weiterentwicklungen der jetzigen LD/LO 3000.Reihe in den 80er Jahren richteten sich besonders auf die Erhöhung der Lebensdauer der einzelnen Baugruppen und auf die Anhebung auf das international übliche Niveau. Dies führte zu den dieselgetriebenen Modellen LD 3001 und LD 3002 äußerlich erkennbar vor allem an den kleineren Rädern und der vergrößerten Spurweite.

Robur-Lkw sind nicht nur im RGW-Gebiet (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe), sondern auch in vielen überseeischen Ländern im Einsatz.
Das Robur-Safari-Programm, das den speziellen klimatischen und geographischen Bedingungen künftiger Einsatzländer angepaßt wurde diente so der Gewinnung neuer Exportmärkte.

Nach der politischen Wende begann 1991 die fünf Jahre währende Liquidation des Unternehmens durch die Treuhand. Der Nachfolgebetrieb ROBUR-Werke Zittau GmbH wurde bis 1998 aufgelöst. Die Produktion von Nutzfahrzeugen war schon 1991 eingestellt worden
Zittau hatte ca. 30.000 Einwohner und bei den Phänomen- / Roburwerken arbeiteten in Spitzenzeiten bis zu 9000 Menschen.